Ein Weltreisender geht in den Ruhestand
Hanshühn & Hohenstein. Pastor Anas Hamami verabschiedet sich am Sonntag von den Gemeinden Hansühn und Hohenstein
Pansdorf sowie Hansühn und Hohenstein, das waren die Orte in Ostholstein, in denen Anas Hamami in den vergangenen 20 Jahren als Pastor gewirkt hat. Als Theologe und Seelsorger führten ihn seine Wege in den Jahren zuvor in die weite Welt, zu Rucksacktouristen nach Indien, Thailand, Sri Lanka und Nepal. Hamami lebte in der indonesischen Hauptstadt Jakarta, als dort Unruhen ausbrachen, und leistete Notfallseelsorge für Ersthelfer der Anschläge von Bali im Jahr 2002. Jetzt ist es Zeit für den Ruhestand: Der 65-Jährige wird in einem gemeinsamen Gottesdienst der Kirchengemeinden Hansühn und Hohenstein am Sonntag, 28. April um 10 Uhr in der Christuskirche in Hansühn verabschiedet.
Geboren wurde Anas Hamami als Sohn eines Syrers und einer Deutschen in Latakia, einer syrischen Stadt am Mittelmeer. Die Eltern zogen nach Deutschland, als er ein Jahr alt war. Aufgewachsen ist er in Rendsburg in einer Familie, in der der vom Vater an den Sohn weiter gegebene muslimische Glaube kaum eine Rolle spielte. In der Oberstufe entschied er sich für Religion statt Philosophie, weil es ihm leichter erschien – und schrieb immer die besten Klausuren. Zum Lehramtsstudium ging er nach Hamburg, wollte Religions- und Französischlehrer werden. Aber bald schon entschied er sich für die Volltheologie. „Ich wusste nicht, ob ich Pastor werden wollte oder konnte“, erinnert sich Hamami. Doch sein Interesse wuchs stetig und so ließ er sich im dritten Semester folgerichtig auch taufen. „Irgendwann konnte ich mir dann vorstellen, in den Pfarrdienst zu gehen.“
Praktische theologische Erfahrung sammelte er in einer ökumenischen Gruppe, die auf St. Pauli ein offenes Ohr für die Prostituierten hatte und Hilfen zum Ausstieg anbot.
1986 machte Anas Hamami sein kirchliches Examen, musste aber auf einen Vikariatsplatz warten. Er jobbte beim legendären Café Keese am Thresen und als Kurierfahrer für einen Buch-Grossisten. Als sich das Jahr des Wartens dem Ende zuneigte, bewarb er sich beim Nordelbischen Missionszentrum um eine Aufgabe im Ausland. „Ich hatte Lust, nach Indien zu gehen“, erzählt der Pastor. Und so kam es dann auch. Im dänischen Aarhus wurde er auf das ökumenische Projekt „Interreligiöser Dialog mit Rucksackreisenden“ vorbereitet, bei dem junge Menschen in den Dialog mit Gleichaltrigen in Asien kommen sollten. Als „Rucksackmissionar“ ganz ohne Komfort arbeitete er in einem Projekt, das westlichen Rucksacktouristen vor Ort praktische Hilfe leistete. Dort, im südindischen Goa, waren viele von ihnen auf Selbsterfahrungstrips und testeten allerlei Drogen. „An jeder Ecke wurde Gras geraucht“, so Hamami, der die Liberalisierung der Drogenpolitik in Deutschland kritisch sieht: „Ich habe erlebt, wie Leute, die gesund ankamen, dort nach und nach in die Abhängigkeit gerutscht sind.“
Hamami besuchte Kloster und Tempel und Kurse über den Buddhismus. Indien gilt als das Geburtsland der Religion, obwohl dort nur etwa sechs Millionen Buddhisten leben.
So lernte Hamami in rund zwei Jahren Land und Leute kennen, machte noch Abstecher nach Sri Lanka, Thailand und Nepal und reiste in den indischen Teil des Himalaya, wo er in dem Gebirgsort Dharamsala mit einer kleinen Gruppe sogar den Dalai Lama traf. Auf den „spirituellen Trampelpfaden“ westlicher Reisender sei er unterwegs gewesen, so Hamami. Seine Beschäftigung mit dem Buddhismus stärkte ihn in seinem christlichen Glauben, denn „ich war immer wieder gezwungen, mich mit meiner christlichen Identität auseinanderzusetzen und aus meinen inneren Ressourcen zu schöpfen“, wie er sagt.
Wo er nun schon in Asien war, wollte er auch nach China. Ausgerechnet am Tag des Massakers auf dem Tian’anmen-Platz Anfang Juni 1989 in Peking wollte er gerade über Hongkong einreisen – blieb dann aber zwei Monate lieber in Hongkong, bevor er nach Deutschland zurückkehrte.
Endlich absolvierte er dann 1989 bis 1991 sein Vikariat in Kronshagen bei Kiel. „Da habe ich mein volkskirchliches Handwerk gelernt“, so Hamami. Im Advent 1991 wurde er in Hamburg ordiniert. In Kronshagen hatte er auch seine Frau Brigitte kennengelernt, mit der er zwei Kinder hat. Nach seiner Probezeit mit Stationen in Wandsbek-Gartenstadt und Norderstedt brach die junge Familie – die Tochter konnte gerade laufen – 1998 noch einmal auf. Über die EKD bewarb sich Hamami auf einen Auslandsposten in der indonesischen Hauptstadt Jakarta und die Familie wollte abreisen, just als dort das Regime zu wackeln begann. „Es war unklar, ob das Land nach dem Sturz des Diktators in den Bürgerkrieg abgleitet“, erinnert sich Hamami. Aber es schien doch verantwortbar, obwohl die deutsche Gemeinde vor Ort vorübergehend evakuiert werden musste. Bei Ankunft der Familie standen „an allen Ecken noch die Panzerwagen.“
Als im Oktober 2002 Islamisten mehrere Bomben auf der Ferieninsel Bali zündeten und über 200 Menschen töteten, reiste Hamami an, um einigen deutschen Ersthelfern seelischen Beistand zu leisten. In den sechs Jahren in Indonesien kam der Sohn der Hamamis zur Welt. Der Pastor lernte außerdem die Philippinen kennen, denn mit seiner Aufgabe in Jakarta war eine Zusatzbeauftragung für die deutsche Gemeinde auf dem Archipel verbunden.
Zurück in Deutschland im Jahr 2004 wurde Hamami dann endlich Pastor in Pansdorf, eine Stelle, auf die er sich von Indonesien aus beworben hatte. „Pansdorf, das war echt eine gute Zeit mit großen Aufgaben und einem guten Miteinander“, resümiert er. Konfirmandenjahrgänge hatten seinerzeit noch bis zu 60 Jugendliche. Ehrenamtlich engagiert hat sich Hamami auch in der Notfallseelsorge und in der Feuerwehrseelsorge, was er auch weiter leisten will, wenn er mit seiner Familie den Ruhestand in Pönitz genießt. Die Gemeinden Hansühn und Hohenstein, für die er in den vergangenen drei Jahren eine Beauftragung hatte, verabschieden ihren Pastor nun am Sonntag mit einem Gottesdienst und anschließendem Empfang.
Geschrieben am:
22. April 2024