Eine gelungene Überraschung

Hohenstein. Kirche ehrt Jürgen Gradert aus Grammdorf für ehrenamtliches Engagement. Am vergangenen Sonntag ist Jürgen Gradert (79) aus der Kirchengemeinde Hohenstein mit dem Ansgarkreuz der Nordkirche ausgezeichnet worden, der zweithöchsten Ehrung der Nordkirche, die für herausragendes persönliches und ehrenamtliches Engagement für die Kirche vergeben wird.

Es schien, als habe außer Gradert so ziemlich jeder gewusst, was da auf ihn wartete. Eine erste Irritation verspürte er, als er sah, wie voll die Kirche in Hohenstein war, was auch nicht alle Tage vorkommt. „Eigenartig war, dass alle Leute, mit denen ich in meinem Leben zu tun hatte, da waren“, erzählt der ehemalige Schlosser und ehrenamtliche Feuerwehr-Wehrführer schmunzelnd. Unter den Gottesdienstteilnehmern war zum Beispiel einer, den er wohl vor 30 Jahren zum letzten Mal in der Kirche gesehen hatte. Verwundert nahm der Grammdorfer, der seit 1998 Mitglied im Kirchenvorstand der Kirchengemeinde ist, außerdem wahr, dass sich auch alle anderen Mitglieder des kirchlichen Gremiums versammelt hatten. Und Propst Dirk Süssenbach, den er aus dem Auto hatte aussteigen sehen, hatte ihn nur kurz von Ferne gegrüßt und war gleich wieder verschwunden, ohne ein Wort mit ihm zu wechseln. Sehr merkwürdig.

Der Gottesdienst war dann wie immer. Pastor Jürgen Motschmann predigte. Erst nach den Abkündigungen wurde das Geheimnis gelüftet, als der eigentlich im Urlaub befindliche Pastor Hamami Jürgen Gradert nach vorne rief und den Text verlas, mit dem der Antrag auf Verleihung des Ansgarkreuzes begründet worden war. Als ein „verlässlicher Helfer und Ratgeber für alle Hilfesuchenden der Gemeinde“ habe sich Jürgen Gradert in den vielen Jahren erwiesen. Für keine Arbeit sei er sich zu schade gewesen, habe zugepackt, wo er gebraucht wurde, sei es als Organisator oder als handwerklicher Macher. Auch bei Verwaltungsangelegenheiten sei Gradert stets derjenige gewesen, der mit seinem Wissen und Können der Kirchengemeinde viel Arbeit abgenommen und Kosten für Dienstleistungen erspart habe.

Bei seinen beliebten Kirchenführungen, die mitunter zwei Stunden dauern konnten, habe er „sein profundes geschichtliches und kunsthistorisches Wissen“ offenbart. Es ist sogar so profund, dass das Landeskirchenarchiv sich veranlasst sah, ihn mit der Betreuung des Kirchenarchivs in Hohenstein zu betrauen, wo er als Ansprechpartner für Familien- und Heimatforscher ebenso zur Verfügung steht wie für Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Wie die Studenten der Arbeitsstelle Edition und Editionstechnik der Universität Duisburg-Essen etwa, die kürzlich zu einem Symposion nach Hohenstein gekommen waren und von denen einige bei Familie Gradert unterkamen.

Und dann ist da noch das Zeltlager für Kinder und Jugendliche in Dänemark, bei dem Jürgen Gradert seit 1987 stets dabei war und sich einen Ruf als „Zeltlagergroßvater“, als „Bopa“ wie ihn die Kids nennen, erwarb und die ihn immer wieder mitnehmen – ob er will oder nicht.

Als er im Gottesdienst einige der früheren Zeltlagerkinder in der ersten Reihe erblickte und die dann aufstanden, um für ihn ein besonderes Lied zu singen, da war es um ihn geschehen. „Mir liefen die Tränen“, sagt Jürgen Gradert. Und es wurde auch nicht dadurch besser, dass der emeritierte Pastor Jürgen Eggert, der ihn einst für den Kirchenvorstand geworben hatte, und die Pastoren em. Jens Motschmann und Anas Hamami gratulierten und Propst Dirk Süssenbach Dankesworte von Bischöfin Nora Steen überbrachte.

„Keinen blassen Schimmer“ habe er gehabt, versichert Gradert. Obwohl, als er letzte Woche im Archiv einen geöffneten Karton vorfand, bei dessen Inhalt es auch um ihn ging, da hatte er kurz eine Ahnung und dachte sich, dass der Sonntag nach dem Symposion für so etwas wohl gut wäre. Aber er hatte es schnell wieder verworfen. Übrigens hielt auch seine Ehefrau Karin dicht und drängte ihm am Sonntagmorgen lediglich eine etwas bessere Jacke auf. „Einen kleinen Tipp und ich hätte wenigstens einen Schlips vorgebunden. Oder hätte ihn mindestens in die Tasche gesteckt“, lacht Jürgen Gradert. Ja, kein Zweifel, die Überraschung ist gelungen und die Wertschätzung seines ehrenamtlichen Engagements, die hat ihn ganz schön bewegt.

Geschrieben am:

27. Februar 2024

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