Gottesdienst der Sinne in Gleschendorf

Gleschendorf. „Manche weinen dann auch mal“: Wie ein „Gottesdienst der Sinne“ vor allem ältere Menschen bewegt. Eingeladen sind alle Interessierten, das nächste Mal am Donnerstag, 26. September um 10.30 Uhr.

Dass dieser Gottesdienst alles andere als gewöhnlich ist, wird schon vor der Kirchentür in Gleschendorf deutlich: Viele der Anwesenden kommen mit einem Rollator, einige von ihnen werden von den Pflegefachkräften ihrer Einrichtung in die über 750 Jahre alte Kirche geführt. Zum „Gottesdienst der Sinne“, der sich vor allem an ältere, teils demenziell erkrankte Menschen richtet, sind überwiegend Menschen aus den Alten- und Pflegeheimen der umliegenden Orte gekommen. Ohne die Hilfe ihrer Betreuer wäre ein Gottesdienstbesuch für die alten Menschen kaum möglich. Doch die Einrichtungen in Stockelsdorf, Bad Schwartau, Pönitz, Scharbeutz, Neustadt, Techau, Eutin und Pansdorf ermöglichen ihren Bewohnern diesen monatlichen Ausflug immer am letzten Donnerstag im Monat gern – wenn nichts dazwischen kommt. An diesem Donnerstag Ende August mussten einige der acht Häuser wegen zu großer Hitze kurzfristig absagen. Üblicherweise nehmen sonst insgesamt bis zu 50 Senioren teil.

Was noch mehr werden könnte, ist die Beteiligung anderer Gottesdienstbesucher. „Das wäre schön, weil sich manche Pflegeheimbewohner ein bisschen außen vor fühlen, ein bisschen getrennt von der Außenwelt um die Heime herum“, erläutert Pflegeheimseelsorger Jochen Müller-Busse später.

Doch zunächst begrüßen er und sein ehrenamtliches Team – Howard Price und Dieter Klies aus der Gemeinde – die Gäste am Eingang, bevor um kurz nach 10.30 Uhr das vertraute Läuten der Glocken verstummt und Kantorin Christina Engelke das erste Lied an der Orgel spielt.

Für die Lesung hat der Pastor die Bibelstelle ausgewählt, die von den Schwertern erzählt, die zu Pflugscharen umgeschmiedet werden. In seiner kurzen, einfach gehaltenen Predigt nennt er dies „eine tröstliche Verheißung, tröstlich angesichts von Krieg und Gewalt“, und er zählt die Kriege in Sudan, Jemen, Israel, Palästina und der Ukraine auf. „Die Älteren unter uns haben selber noch den Krieg erlebt und erlitten. Und was die Menschen im Krieg erlitten haben, das schmerzt bis heute“, so Müller-Busse. Einzelne nicken zustimmend.

Da Menschen mit Demenz oft das gesprochene Wort nicht mehr so gut begreifen können, hat er außerdem Buchsbaumzweige mitgebracht. Denn ein Ölzweig war es, so heißt es in der Bibel, der den Menschen auf der Arche Hoffnung gab, als eine von Noah ausgesandte Taube damit im Schnabel an Bord zurückkehrte. Und so bekommt jeder in der Kirche einen Zweig, „als Zeichen der Hoffnung auf Frieden“, wie Müller-Busse sagt. Zweige zum Anfassen, Wasser zum Trinken oder berühren, Marzipan zum Schmecken: mit solch kleinen Elementen, die die Sinne ansprechen, öffnet sich gerade bei Dementen das Tor zu einer vertrauten Welt, die sie sonst nicht mehr so gut erfassen können. „Deshalb nenne ich das auch einen Gottesdienst der Sinne.“

Mit „Kein schöner Land“ wird noch ein bekanntes Lied gesungen, dann das Vaterunser gebetet, dessen Text fast alle mitsprechen können, und der Segen erteilt. Alte Lieder und das Vaterunser, das vergessen Menschen auch im Alter nicht.

Während das letzte Lied an der Orgel gespielt wird, werden Kaffee, Kakao und Kuchen ausgegeben. Das wird von den Pflegeheimen reihum organisiert und kommt gut an bei den Bewohnern. Als ein wenig später die Zeit für den Heimweg gekommen ist, bedanken sich einige der Menschen beim Pastor.

Karin Böttcher, Wohnbereichsleiterin vom Außenbereich des Psychiatrischen Pflegeheims Rosenhof in Pönitz, ist von den Gottesdiensten überzeugt, obwohl die Fahrt nach Gleschendorf für die Einrichtungen durchaus einen erheblichen Aufwand bedeutet. Sie seien jedoch für die Menschen ein echter Höhepunkt, um „überhaupt einmal rauszukommen aus dem Alltag im Heim“, sagt sie. „Das sind alte Erinnerungen, die an solchen Tagen wieder hochkommen.“ Dazu gehöre auch die Atmosphäre einer alten Kirche, die Musik. „Sehr ergriffen“ seien viele ihrer Schützlinge. „Manche weinen dann auch mal. Aber hinterher sind alle immer sehr ruhig und es tut ihnen gut“, so Böttchers Erfahrung. Die Pflegefachkräfte tragen übrigens private Kleidung, damit möglichst wenig an den Alltag erinnert.

Auch Böttchers Kollegin Celina Rodewaldt, die im geschlossenen Bereich als Ergotherapeutin arbeitet, betont die Bedeutung so eines Gottesdienstes für ihre Schützlinge. „Man merkt richtig, dass es ihnen nahegeht, weil das in ihrer Kindheit eine viel größere Rolle gespielt hat“, berichtet sie.

Und was sagen die Bewohner? „Mir gefällt der Zusammenhalt gut, dass man irgendwohin kommt und nicht nur im Heim sitzt“, findet Gisela Bigus (83) aus dem Senioren- und Therapiezentrum Eichenhof in Stockelsdorf. Und Walter Mühlbauer (80) hält fest: „Es ist immer so gut, dass ich gerne wiederkomme.“

Der nächste „Gottesdienst der Sinne“ findet am Donnerstag, 26. September um 10.30 Uhr in der Kirche Gleschendorf (Am Kirchberg) statt und dann – wegen des auf den letzten Donnerstag im Oktober fallenden Reformationstags – wieder am 7. November.

Geschrieben am:

24. September 2024