Gedenken an beschämendes Kapitel ostholsteinischer Geschichte
Ostholstein. Wenn am kommenden Sonntag (17. November) der Volkstrauertag begangen wird, dann gilt das Gedenken in vielen Kirchengemeinden im Kirchenkreis Ostholstein diesmal vor allem auch den Kindern von Zwangsarbeiterinnen, die im sogenannten „Kinderheim Ost“ in Lensahn nur wenige Tage oder Monate nach der Geburt starben.
Die Baracke am Ortsrand war vor 80 Jahren vom NS-Regime für den damaligen Landkreis Oldenburg errichtet worden. „Durch bewusste Vernachlässigung, unzureichende Hygiene, fehlerhafte Ernährung und mangelnde gesundheitliche Betreuung kamen zwischen 1944 und 1945 von den 63 dort geborenen Säuglingen 34 ums Leben“, erläutert die Stockelsdorfer Pastorin Almuth Jürgensen, Beauftragte für Erinnerungskultur im Kirchenkreis.
In der eher einer Kinderverwahranstalt als einem Kinderheim gleichenden Baracke wurden polnische und aus damaligen Sowjetrepubliken stammende Zwangsarbeiterinnen untergebracht, die kurz vor der Entbindung standen und nach der Geburt möglichst schnell wieder zum Arbeitseinsatz geschickt werden sollten. Nur alle zwei Wochen durften sie ihre Kinder sonntags besuchen.
„Wir wollen am Volkstrauertag aller Frauen und Männer gedenken, die im Zweiten Weltkrieg in Ostholstein Zwangsarbeit leisten mussten, vor allem
aber der Mütter und ihrer Kinder, die Opfer dieser unwürdigen und verbrecherischen Behandlung wurden“, sagt Jürgensen. Neben einem Gebet für die Menschen sollen auch die Namen der Kinder in Gottesdiensten zu Gehör gebracht werden.
Die bisherigen Erkenntnisse über das „Kinderheim Ost“ gehen zurück auf den ehemaligen Geschichtslehrer und Regionalforscher Dietrich Mau und Nils Kuhnert-Schumacher, Lehrer an der Fachschule für Sozialpädagogik in Lensahn. Die beiden beschäftigen sich seit Jahren mit der Aufarbeitung dieses beschämenden Kapitels ostholsteinischer Regionalgeschichte. Auch im damaligen Landkreis Eutin gab es eine vergleichbare Einrichtung, doch die Untersuchungen der beiden hierzu sind noch nicht abgeschlossen.
Kinder von Zwangsarbeiterinnen galten im nationalsozialistischen Deutschland als unerwünscht. Wurden Frauen trotz ihrer ohnehin prekären Lebensumstände schwanger, wurden viele von ihnen zu Abtreibungen genötigt. Andere mussten ihre Neugeborenen in einfachsten Einrichtungen wie der in Lensahn abgeben. Grundlage für dieses Vorgehen war ein Erlass des Generalbevollmächtigten für den Arbeitseinsatz, Fritz Sauckel, vom Dezember 1942. „Seitdem arbeiteten staatliche Behörden gemeinsam mit der Deutschen Arbeitsfront (DAF) und dem Reichsnährstand (Organisation der Agrarwirtschaft und Agrarpolitik im Deutschen Reich 1933-1945) an der Umsetzung“, heißt es in einer Zusammenfassung der Regionalforscher Mau und Kuhnert- Schumacher.
Geschrieben am:
13. November 2024