Propst Süssenbach fordert Einsatz für Demokratie
Burg auf Fehmarn. Mehr als 300 Menschen haben am vergangenen Samstag, 8. Juni auf dem Burger Marktplatz unter dem Motto „Demokratie verteidigen – Rechtsextremismus stoppen“ demonstriert. Einer der Redner dieser Kundgebung am Tag vor der Europawahl war Propst Dirk Süssenbach, der aus christlicher Sicht Stellung bezog.
Angemeldet hatte die Veranstaltung die Lehrerin Svenja Nielson, die von Vertretern der Stadt, des Jugendparlaments sowie Repräsentanten von Vereinen und Organisationen unterstützt wurde. Dirk Süssenbach sagte, er spreche für 90.000 Christinnen und Christen in Ostholstein, „die tief besorgt sind über aktuelle populistische, fremdenfeindliche und völkische Äußerungen am rechten Rand des politischen Spektrums in unserem Land, die erschüttert sind über eine Spaltung der Gesellschaft und die zunehmende Verrohung der Sprache, die in diesem Wahlkampf an vielen Orten in ganz reale Gewalt umgeschlagen ist.“ Dem gelte es „rechtzeitig und eindeutig“ in einem breiten Bündnis aus Parteien, Institutionen und Verbänden aus der Mitte der Gesellschaft entgegenzutreten. „Völkisch nationale Gesinnungen sowie menschenverachtende Haltungen und Äußerungen, die sind mit den Grundsätzen des christlichen Glaubens in keiner Weise vereinbar“, so der Propst, der darauf hinwies, dass die in den Kirchen organisierten Christinnen und Christen – seien sie katholisch, evangelisch oder freikirchlich – immer noch die Hälfte der Gesellschaft ausmachten. „Und das sind Mitgliedszahlen, von denen die Volksparteien und der ADAC nur träumen.“
Er erinnerte an ein Wort von Hamburgs Bischöfin Kirsten Fehrs, die sich bereits im Februar sehr eindeutig hinter die Warnung der katholischen Deutschen Bischofskonferenz gestellt hatte und eine „klare und gemeinsame Haltung der Kirchen“ angemahnt hatte. „Wir ziehen daraus die gemeinsame Konsequenz, Katholiken und Protestanten, vor der Wahl rechtsextremer Parteien einschließlich der AfD zu warnen, weil sie Minderheiten ausgrenzen und die Demokratie gefährden“, zitierte Süssenbach die Bischöfin. Für seine Aufforderung, bei der Europawahl „ausschließlich demokratischen Parteien“ die Stimme zu geben, gab es viel Applaus und Beifallspfiffe.
Aufgrund der Erfahrungen des Nationalsozialismus sehe der Kirchenkreis nicht weg, „wenn die Freiheit und das Leben anderer bedroht“ würden. Deshalb stehe man denen tätig bei, „die als Flüchtlinge Schutz vor Verfolgung und Diskriminierung bei uns suchen“, sagte der Propst. Er erinnerte dabei auch an die Vorgängerkirchen der Nordkirche, die sich zu Zeiten des Nationalsozialismus „nicht gerade mit Ruhm bekleckert“ hätten. „Und gerade weil wir dieser Schuld uns stellen, dieser Schuld, die auch auf der Kirche lastet, sehen wir heute umso klarer, wo man damals entschiedener hätte Widerstand leisten müssen, um Menschenleben zu retten und sich als Kirche nicht mit schuldig zu machen.“
Er erhebe deshalb gerne mit anderen die Stimme zu einem Weckruf, „gemeinsam mit allen, die für die freiheitlich demokratische Grundordnung in diesem Land einstehen wollen und sich für Menschenwürde, Rechtsstaatlichkeit, Vielfalt einsetzen und das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland schützen und verteidigen wollen“, so der Propst. „Demokratie ist längst keine Selbstverständlichkeit mehr, sondern sie braucht unseren Einsatz und eine klare Haltung an jedem Tag und vor allem von jedem von uns.“ Jede Form von Extremismus müsse gerade auch von den Kirchen hinterfragt, kritisiert und durch immer neue Gesprächsversuche entkräftet werden. Das gelte für linken und rechten politischen Extremismus wie auch für den Islamismus oder christlichen Fundamentalismus. Die Religionsfreiheit als universales Menschenrecht fordere von allen, „dass wir Juden und Muslimen, Christen und Menschen anderer Religionen wertschätzend begegnen und ihr Leben in diesem Land als eine Bereicherung unserer kulturellen Vielfalt und Identität verstehen“, sagte Süssenbach. „Jede Form eines neu aufkommenden Antisemitismus oder Rassismus“ sei aus Sicht der evangelischen Kirche abzulehnen. Es gebe keine Alternative zum interreligiösen Dialog.
Zu Beginn seiner Ansprache hatte er an den D-Day und das Ende des Nationalsozialismus erinnert und gemahnt, das Projekt eines geeinten Europas dürfe nicht scheitern. Süssenbach: „Die wichtigsten Herausforderungen der Zukunft, der Umgang mit dem Klimawandel, die Sicherung des Friedens, der Umgang mit Migrationsbewegungen angesichts eines immer größer werdenden Fachkräftemangels in vielen Bereichen unserer Wirtschaft, diese Probleme lassen sich nur gemeinsam und also nur europäisch lösen.“
Text: Eckhard Kretschmer/Marco Heinen
Foto: Eckhard Kretschmer
Geschrieben am:
11. Juni 2024