Propst Süssenbach mahnt zum Einstehen für Menschenwürde und Demokratie
Heiligenhafen. Knapp 300 Menschen nahmen kürzlich an einer Kundgebung unter dem Titel „Zusammen Demokratie leben!“ auf dem Marktplatz von Heiligenhafen teil, zu der der Verein Bürger-Kontor Heiligenhafen eingeladen hatte. Anlass war der Jahrestag der Befreiung Deutschlands vom Nationalsozialismus am 8. Mai 1945.
Die Liste der Redner, die parteiübergreifend ein klares Bekenntnis zur Demokratie ablegten und vor den Gefahren von Extremismus warnten, war lang. Neben Heiligenhafens Bürgermeister Kuno Brandt (parteilos) und Landrat Timo Gaarz (CDU) sprachen auch die Bundestagsabgeordneten Bettina Hagedorn (SPD) und Bruno Hönel (Bündnis 90/Die Grünen) sowie die Landtagsabgeordneten Peer Knöfler (CDU) und Niclas Dürbrook (SPD). Für den Kirchenkreis Ostholstein ergriff Propst Dirk Süssenbach das Wort.
Am Tag der Befreiung von der NS-Herrschaft gehe es darum, „der Wiederauferstehung der bösen Geister unserer deutschen Vergangenheit nicht widerstandslos zuzusehen“, sagte Süssenbach. Er erinnerte auch an die 7500 KZ-Häftlinge, die am 3. Mai 1945 bei der Versenkung der Cap Arcona in der Neustädter Bucht ums Leben kamen.
„Als Propst, also als leitender Geistlicher, spreche ich heute hier für die vielen Christen und Christinnen in den Ostholsteiner Kirchengemeinden, die tief besorgt sind über aktuelle populistische, fremdenfeindliche und völkische Äußerungen am rechten Rand des politischen Spektrums in unserem Land, die zunehmend auch in Gewalt umschlagen.“ Dem gelte es rechtzeitig und eindeutig in einem breiten Bündnis von Parteien, Institutionen und Verbänden aus der Mitte der Gesellschaft entgegen zu treten, so Süssenbach. „Völkisch-nationale Gesinnungen sowie menschenverachtende Haltungen und Äußerungen sind mit den Grundsätzen des christlichen Glaubens in keiner Weise vereinbar.“
Ausdrücklich unterstützte er die Positionierung der amtierenden Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche in Deutschland, Bischöfin Kirsten Fehrs, die sich hinter die Warnung der katholischen Bischofskonferenz gestellt- und die Wichtigkeit einer gemeinsamen Haltung der Kirchen betont hatte. „Wir ziehen daraus die gemeinsame Konsequenz – Katholiken und Protestanten – vor der Wahl rechtsextremer Parteien einschließlich der AfD zu warnen, weil sie Minderheiten ausgrenzen und Demokratie gefährden“, zitierte Süssenbach den Wortlaut der Bischöfin.
Auch mit dem kritischen Rückblick auf die Geschichte der ehemaligen Landeskirchen auf die NS-Diktatur sehe man heute klarer, „wo man damals entschiedener hätte Widerstand leisten müssen, um Menschenleben zu retten und sich als Kirche nicht mit schuldig zu machen.“
Deshalb erhebe auch die Kirche ihre Stimme gemeinsam mit allen, „die für die freiheitlich-demokratische Grundordnung in diesem Land einstehen wollen und sich für Menschenwürde, Rechtsstaatlichkeit, Vielfalt einsetzen und das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland schützen und verteidigen wollen, dessen 75. Geburtstag wir am 23. Mai im Kreishaus feiern wollen“, sagte der Propst.
Er wandte sich gegen jede Form des Extremismus, „sei er politisch motiviert am rechten wie am linken Rand des politischen Spektrums oder ob er in religiöser Form daherkommt; ob er sich nun als Islamismus oder auch christlicher Fundamentalismus zeigt, der bereit ist, am rechten Rand unheilige Allianzen einzugehen.“ Dies müsse von den Kirchen hinterfragt, kritisiert und durch immer neue Diskussions- und Gesprächsversuche entkräftet werden. „Gerade die Religionsfreiheit als universales Menschenrecht fordert von uns allen, dass wir Juden und Muslimen, Christen und Menschen anderer Religionen wertschätzend begegnen und ihr Leben in diesem Land als eine Bereicherung unserer kulturellen Vielfalt und Identität verstehen.“ Aus diesem Grund sei auch jede Form eines neu aufkommenden Antisemitismus und Rassismus aus Sicht der evangelischen Kirche abzulehnen.
Dirk Süssenbach: „Es ist etwas ins Rutschen geraten in unserem Land. Wir, die wir heute hier sind, sind verbunden in dem Bemühen, ein Abrutschen, wie es sich 1933 ereignet hat, zu verhindern. Nie wieder ist jetzt!“
Text: Marco Heinen Foto: Tino Kuschel/Heiligenhafener Post
Geschrieben am:
14. Mai 2024