Führung im Kloster Cismar: Licht, Schöpfung und Spiritualität in der Kunst
„Die Landschaft im Blick“ lautete die Ausstellung mit Werken aus der Sammlung des Eutiner Ostholstein-Museums, die bis Sonntag (2. Juli) im Kloster Cismar zu sehen war. Im Fokus standen Landschaftsdarstellungen aus dem späten 19. Jahrhundert bis heute.
Dr. Julia Hümme, Museumsleiterin des Ostholstein-Museums, hatte als Kuratorin der Ausstellung den naturalistischen, romantischen Landschaftsbildern von Ostholsteiner Künstlern moderne Werke der heutigen Künstlergruppe „Norddeutsche Realisten“ im Dialog gegenübergestellt. Romantische Sehnsucht nach Idylle traf auf einen heutigen realistischen Blick auf die Natur, die nichts verschönte. Auch die Malweise der Kunstschaffenden von damals und heute war eine andere. Suchen die „Norddeutschen Realisten“ wie Lars Möller, Frauke Gloyer, Till Warwas und Friedel Anderson sich Themen und malen gemeinsam ein Motiv in der Natur, so waren Künstler wie Carl Hummel, Hinrich Wrage, Heinrich Steen oder Louise M. Wagner in der Natur unterwegs, fertigten Skizzen an und setzten diese in komponierte Werke im Atelier um.
Zur Finissage der Ausstellung hatten Maike Lauther-Pohl von der Evangelischen Akademie der Nordkirche, Propst Peter Barz vom Kirchenkreis Ostholstein und Dr. Julia Hümme zu einer Führung aus theologischer und kunsthistorischer Sichtweise eingeladen. Gut 20 Besucherinnen und Besucher nahmen an der Führung und dem Dialog teil. Maike Lauther-Pohl machte in Ihrer Ansprache eingangs deutlich, dass das Sehen und Betrachten von Bildern durch unsere Vorprägung beeinflusst ist. Sechs Bilder wurden im Rahmen der Führung gemeinsam erörtert und diskutiert. In diesem Beitrag werden drei Stationen der Bildinterpretationen unter dem spirituellen Aspekt des Lichts in der Natur, das Thema der Diskussionen war, wiedergegeben.
Das Licht als führende Sehhilfe
Die dialogische Führung zwischen Julia Hümme und Peter Barz startete mit dem Ölbild „Buchenwald am Dieksee (Rast im Walde)“ um 1890 des Malenter Künstlers Hinrich Wrage. Er gehöre auch heute noch zu den bedeutendsten Landschaftsmalern der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts hier in Schleswig-Holstein, so Julia Hümme. „Hinrich Wrage entdeckte mit Hans-Peter Feddersen im Jahr 1872 auf Sylt die Landschaftsmalerei. Er hat mit seinen Bildern, die in Kiel, Düsseldorf und anderen Städten in Ausstellungen gezeigt wurden, Ostholstein bekannt gemacht“, erklärte die Museumleiterin einleitend. Dem Betrachtenden zeigt sich eine Waldidylle, ein Waldweg von Bäumen gesäumt, der bergauf geht. Auf der Kuppe des berganführenden Weges sitzen zwei Personen bei der Rast auf dem Boden mit Blick auf die Natur. Wasser und Licht schillert durch die Bäume, ein See lässt sich erahnen. Propst Peter Barz zitierte den Psalm 36 „In deinem Lichte sehen wir das Licht“ spezifisch für seine Sichtweise des Bildes. „Ich blicke zunächst in das Helle, nehme das Leuchten des Lichts im Geäst wahr, bevor die Menschen in mein Blickfeld rücken. Ohne das Licht würde ich die Menschen gar nicht wahrnehmen“, sagte Propst Barz. „Was ist der Mensch, dass du seiner gedenkst, und des Menschen Kind, dass du dich seiner annimmst? steht im Psalm 8, Vers 5“, resümierte Barz hinsichtlich seiner Herangehensweise an das Bild. Dieses sehr idyllische Landschaftsbild der Romantik stand im Dialog mit einer Öl-Bild-Landschaftsdarstellung namens „Märzenhain“ (Timmendorf) aus dem Jahr 2016 von Lars Möller von der Künstlergruppe der Norddeutschen Realisten.
Auch im Dunkeln scheint noch Licht
Im Verlauf der weiteren Führung stand das Werk „In der Stille der Dämmerung“ von Frauke Gloyer aus dem Jahr 2013 im Mittelpunkt der Betrachtungen. „Frauke Gloyer gehört oder gehörte zu den Norddeutschen Realisten, da sie mittlerweile zunehmend alleine malt“, erläuterte Julia Hümme. Im Jahr 2020 hatte das Ostholstein Museum eine große Ausstellung mit den Norddeutschen Realisten zum Jubiläum des Kreises Ostholstein realisiert. Dafür hatte das Museum die Norddeutschen Realisten zum Malen in den Jahren 2018 und 2019 nach Ostholstein eingeladen. Es entstanden eine Vielzahl an Werken in der Natur, die hier im Rahmen der Ausstellung gezeigt wurden. Das Werk von Frauke Gloyer kommt düster daher. Es zeigt die See bei schlechtem Wetter und bedecktem, dunkelwolkigem Himmel. Die Sicht ist trübe, vernebelt; eine weite Sicht ist nicht möglich. Das Wasser wirkt düster und grau. Der Horizont scheint fast in dem Grauton des Himmels und des Meeres unterzugehen, als wenn Himmel und Erde eins wären. Und doch ist da Licht, dass sich vom oberen linken Bildrand her durchkämpft und das Dunkle verdrängt. Es macht eine leichte Horizontlinie sichtbar. „Frauke Gloyer hat beim Malen ein Motorboot gehört. Dieses Geräusch“, so Julia Hümme, „hat sie veranlasst das Motorboot in das Bild zu malen.“ So komme Dramatik ins Bild, welches die Künstlerin ansonsten im Wolkenbild hätte gestalten müssen. Frauke Gloyer habe am Boot auch kleine Lichter positioniert, die wie Zeichen wirken würden. „Da ist Licht am Ende der Finsternis – Es ist Land in Sicht.“
Licht ist Hoffnung. Und doch ist es immer beides im Leben: hell und dunkel. Diese Gegensätze bestimmen unseren Lebensrhythmus bereits im Wechsel von Tag und Nacht, aber auch unser Gefühlsleben kennt diese Gegensätze.
Propst Barz führte eine Bibelstelle für seine Interpretation an. „Vielleicht kennen Sie die Geschichte“, sprach er das interessierte Publikum direkt an. „Jesus hat 5.000 Menschen satt gemacht und sagt: „Ich brauche jetzt noch ein bisschen Ruhe. Fahrt ihr mal mit dem Boot los.“ Und die Jünger sind dann mit dem Boot mitten auf dem See und alles ist indifferent – so stelle ich mir das vor. Man sieht kein Ufer und dann kommt durch den Nebel eine gespenstische Gestalt über das Wasser auf das Boot zu. Die Jünger haben Angst, doch Jesus gibt sich zu erkennen, beruhigt sie. Er fordert Petrus auf zu ihm auf das Wasser zu kommen. Dieser folgt der Aufforderung Jesus, doch er scheint im Wasser zu versinken, bis Jesus ihm die Hand reicht und ihn aus dem Wasser zu sich zieht. Sein mangelndes Vertrauen, dass es wirklich Jesus ist, hatte ihn untergehen lassen.“ Dieses Indifferente und plötzlich erscheine darin etwas – hier im Bild das Motorboot – bringe Dynamik in eine Szene. „Es geht auch um das Miteinander. Wir müssen miteinander zurechtkommen“, ergänzte Julia Hümme. „Küsten sind ja ein Thema bei einem wachsenden Tourismus. Mittlerweile haben wir 365 Tage im Jahr Tourismus.“ Das werde zu einer wachsenden Belastung für die Anwohnenden, obwohl sie auch vom Tourismus leben. Wie gehen wir miteinander um sei eine Zukunftsfrage. Welchen Weg gehen wir dabei zusammen?
Der Weg – Ein Zeichen für das Ankommen
Um den Weg, den man gehen kann und der auch in einem hellen Licht erscheint, ging es in drei Ölbildern mit Baumalleen. Zum einen in zwei Werken des Norddeutschen Realisten Michael Arp „Louisenlund“ und „Landstraße bei Ekenis“ beide aus dem Jahr 2007 und zum anderen in einem Werk eines unbekannten Künstlers, vermutlich F. Hoffmann, namens „Lindenallee im Eutiner Schlossgarten“. „Der Künstler Michael Arp verstarb im Jahr 2013 nach langer Krankheit. Er praktizierte eine Malweise, die er das „Malen nach Sicht“ nannte“, erklärte Julia Hümme. Sein Interesse habe in besonderen Maße der Landschaft als Lebensraum gegolten und er habe viel in kleinen Formaten „pleinair“ gearbeitet. Der unverfälschte Eindruck zeige in einem kleinen Ausschnitt das große Ganze. Propst Peter Barz stellte als erste Assoziation fest: „Für wahr, wir haben keine Bleibestatt hier. Also wir sind unterwegs. Wir sind auf dem Weg unterwegs. Ich muss mich entscheiden, welchen Weg ich gehe.“ Als biblischen Vers zitierte er Pslam 23 „Und führe mich auf rechter Straße“ dazu. „Aber man muss nicht immer unterwegs sein, man kann sich auf eine Bank im Eutiner Schlossgarten hinsetzen. Man darf sich auch einmal ausruhen.“ Der Psalm 25 „Zeig mir Herr meinen Weg“ sei ebenso zutreffend für eine Bildinterpretation, da momentan viele junge Menschen ihren Schulabschluss absolvieren und sich die Frage stellen würden: „Was ist denn mein Weg?“ Der Kirchenkreis Ostholstein werde deswegen erstmalig einen Gottesdienst für Auszubildende im September dieses Jahres anbieten. „Ich denke aber auch an Ostern und die Szene, wie die Jünger sich auf den Weg machten. Das Weggehen vom Zentrum des Geschehens ist genauso ein Thema in den Werken wie das Ankommen an einem Ort. In den Bildern ist der Weg begrenzt durch die Baumalleen: eine klare Wegführung und Schutz – beides – wird sichtbar“, so Propst Barz. Auf die Frage von Julia Hümme, ob dies positiv oder negativ sei, antwortete er: „Manche Menschen brauchen ganz viel Schutz und Führung, weil sie von alleine nicht wüssten, welchen Weg sie einschlagen sollten.“ Dies berge etwas Ambivalentes in sich.
Und manchmal ist der Weg das Ziel, den man im hellen Licht gehen kann, um dabei bei sich selbst anzukommen. Dann darf man wahrhaftig auch mal Pause machen und kann dankbar zurückblicken auf die Abzweigungen, die man genommen hat, die dennoch wichtig waren, um der Mensch zu werden, der man in diesem Leben sein soll. Amen.
Geschrieben am:
6. Juli 2023