Wo Vertrauen der Anfang von allem ist
Nach 33 Jahren geht Familienberaterin Doris Kaseler in den Ruhestand. „Ich bin offen für alles was kommt“, sagt Doris Kaseler. Die 66-jährige Leiterin der Neustädter Beratungsstelle für Familien-, Partnerschafts- und Lebensfragen hat sich Ende März in den Ruhestand verabschiedet. Offenheit, die war auch in den 33 Jahren ihrer Tätigkeit in der Beratungsstelle, die zum neu gegründeten Diakonischen Werk des Kirchenkreises Ostholstein gehört, ein wichtiger Grundpfeiler ihrer Arbeit.
Denn ein offenes Ohr für die Klienten und offene Gespräche gehören zum Wesen der Beratung von Familien, Eltern und Jugendlichen. Offenheit auf Seiten der Ratsuchenden setzt Freiwilligkeit und Vertrauen voraus: „Es gibt Menschen, die in unterschiedlichen Lebensphasen immer mal wieder kamen, die als Schüler, Jugendliche und junge Erwachsene bei uns zur Beratung waren“, erzählt die Diplompsychologin mit Fortbildung zur systemischen Familientherapeutin.
„Nicht bewertet zu werden, ist etwas Kostbares“
Ein ganz besonderer Moment sei es für sie immer gewesen, wenn Klienten sagten, dass sie noch nie zuvor mit jemandem über dieses oder jenes Thema gesprochen hätten und es wohltuend sei, jetzt doch einmal darüber reden zu können. „Das berührt mich sehr, weil es auch Vertrauen ausdrückt gegenüber einer eigentlich Fremden.“ Wichtig sei, dass alle Gespräche vertraulich sind und der Schweigepflicht unterliegen – genau wie bei Ärzten. Es sei auch „etwas ganz Kostbares“, dass Menschen kämen und genau wüssten, dass sie in der Beratungsstelle nicht bewertet würden und einfach sie selbst sein könnten, sagt Kaseler. Dazu gehört auch, dass das Angebot, das der Kirchenkreis Ostholstein in Neustadt mit den Außenstellen in Oldenburg, in Burg auf Fehmarn und demnächst auch in Heiligenhafen sowie in Eutin mit seinen Außenstellen gewährleistet, niedrigschwellig und vor allem kostenlos ist. Eine offene Sprechstunde, zu der man auch unangemeldet kommen kann, wie es sie zweimal wöchentlich in Neustadt gibt, kann ein erster Einstieg in eine Beratung sein. Wobei viele Klienten auch über die Hausärzte an die Beratungsstelle verwiesen würden. Die Mediziner hätten oft eine gute Antenne für die familiären Verhältnisse ihrer Patienten, weiß die Beraterin sehr gut, sei es zur Schuldner- oder Suchtberatung, zur allgemeinen Sozialberatung oder auch zu Therapeuten oder dem Sozialpsychiatrischen Dienst. Kaseler: „Das ist hier im ländlichen Raum super, weil man sich persönlich kennt und gut und guten Gewissens bei Bedarf an andere weiterverweisen kann.“
Vielfältige Themen bei Kindern
Die Themen im Bereich der Kinder und Jugendlichen sind breit gefächert und reichen von Entwicklungs- und Erziehungsproblemen bei kleinen Kindern über Auffälligkeiten in Kita und Schule bis hin zum Umgang mit Medien und Suchtmitteln. Mobbing in sozialen Medien und selbstverletzendes Verhalten sind Themen, die es in früheren Jahren so nicht gegeben hat, in der jüngeren Vergangenheit aber häufiger geworden seien, berichtet Kaseler. Bei den Erwachsenen hat sich hingegen nicht so viel verändert, jedenfalls mit Blick auf die verschiedenen Entwicklungsstufen einer Paarbeziehung und die damit verbundenen Probleme. Neu ist allerdings, dass sich bei Paaren in Trennung die Männer deutlich stärker um einen gleichwertigen Umgang mit ihren Kindern bemühen als früher und immer mehr Eltern ein Wechselmodell anstreben. Ein verändertes Rollenbild macht sich auch mit Blick auf die Nachfrage bemerkbar. Zwar sind es immer noch mehrheitlich Frauen, die ein Beratungsgespräch suchen, doch die Zahl der Männer – etwa 20 Prozent – hat deutlich zugenommen. Auch insgesamt sei die Nachfrage nach Beratungen „sehr hoch und ist immer weiter gestiegen“, sagt Kaseler.
Der Blick auf das Ziel ist wichtig
Das Team in Neustadt wurde zum 1. April um eine Stelle aufgestockt. Entlastend wirkten sich jedoch auch die längeren Intervalle zwischen den Beratungsterminen aus: „Die Veränderungen passieren zwischen den Gesprächen. Nicht das, was hier passiert, ist das Wesentliche, sondern das, was die Klienten mitnehmen und umsetzen können“, sagt die Psychologin. Eines ist ihr dabei ganz wichtig, nämlich der Blick nach vorne, der Blick auf das Ziel der Beratung und der Blick auch auf das, was gut läuft. Kaseler: „Das bedeutet eine enorme Stärkung der Menschen und verändert den Blick auf das Problem, weg von einer Art ‚Problemtrance‘ hin zu einer Perspektive.“
Doris Kaseler freut sich nun auf ihren Ruhestand, auf ihren Garten, Ausflüge in die Natur und Reisen. Vor allem aber hat sie eine neue Aufgabe: „Ich bin seit einer Woche Großmutter und freue mich riesig darüber.“
Die Nachfolgerin ist bereits an Bord
Die Nachfolge als Leiterin der Beratungsstelle Neustadt hat Doerthe Rocha de Lima angetreten. Sie ist ebenfalls Diplompsychologin mit Fortbildung zur systemischen Familientherapeutin und seit über 20 Jahren in diesem Beruf tätig.
Geschrieben am:
13. April 2023