Offener Brief von Pröpstin Christine Halisch und Propst Dirk Süssenbach vom Kirchenkreis Ostholstein zur Wahl am 23. Februar 2025:
Kirchenkreis Ostholstein. Die jüngsten Ereignisse im Deutschen Bundestag haben deutlich gemacht, vor welchen Herausforderungen unsere Demokratie seit einiger Zeit steht, nicht erst seit den Mordtaten von Magdeburg und Aschaffenburg.
Wir sind in Sorge, dass unsere Demokratie einerseits durch radikale bis extremistische Parteien institutionell ausgehebelt werden könnte. Andererseits scheinen weite Teile der Bevölkerung die Bearbeitung der ungelösten Probleme und Konflikte im Bereich der Migrationspolitik, der Wirtschaft und auf anderen Politikfeldern durch die demokratischen Parteien im Bundestag als derart unzureichend zu empfinden, dass sie am 23. Februar antidemokratische Kräfte wählen wollen. Dem wollen wir als Kirchenkreis Ostholstein entgegentreten.
Gemeinsam mit der Nordkirche rufen wir deshalb dazu auf, die Demokratie zu stärken und Haltung zu zeigen. Auf der Internetseite der Nordkirche heißt es: „Als Kirche stehen wir für ein demokratisches Miteinander und eine offene und vielfältige Gesellschaft. Wir glauben, dass alle Menschen die gleiche Würde und die gleichen Rechte besitzen.“ Dies muss nach unserer Überzeugung ein maßgebliches Kriterium der Wahlentscheidung sein. An der Wahl teilzunehmen, dazu rufen wir nachdrücklich auf.
Nach unserer Überzeugung ist es unser aller Pflicht, die Demokratie zu stärken. Das Grundprinzip der freiheitlichen Demokratie, die unantastbare Würde des Menschen sowie die Freiheit und Gleichheit aller Menschen sind christliche Werte. Sie lassen sich theologisch begründen und finden ihr Äquivalent in der christlichen Ethik. Biblische Grundlagen finden sich zum Beispiel in der Ebenbildlichkeit Gottes (Genesis 1,27), im Doppelgebot der Liebe (Markusevangelium 12,31) und im Plädoyer für den Einsatz für Gerechtigkeit zugunsten gesellschaftlich Unterdrückter (Jesaja 1,17).
Diese Grundsätze sind nicht mit der Wahl von Parteien vereinbar, die eine millionenfache Abschiebung von Migrantinnen und Migranten propagieren, die Menschen anderer Nationalität herabwürdigen und unter Generalverdacht stellen oder die deutsche Verbrechen an der jüdischen Bevölkerung während der Zeit des Nationalsozialismus bagatellisieren oder gar eine historische Umdeutung des Nationalsozialismus versuchen. Deshalb sprechen wir es aus: die AfD ist nach unserer festen Überzeugung aus einer christlichen Grundhaltung heraus nicht wählbar.
Wir fordern dazu auf, sich an der von einem breiten Bündnis aus Gesellschaft und Politik organisierten Menschenkette, um 12 Uhr, in der Eutiner Innenstadt zu beteiligen, die dort am 15. Februar unter dem Motto „Eutin ist bunt, Ostholstein ist bunt“ für Demokratie und Vielfalt gebildet werden soll. Als Kirchenkreis stehen wir für Demokratie und Menschenrechte und für Vielfalt. Das ist unsere Motivation zur Teilnahme.
Wir weisen darauf hin, dass die Vorbereitung dieser Veranstaltung bereits vor einigen Wochen begonnen hat, kurz nachdem die vorgezogene Bundestagswahl angekündigt wurde – also vor den Verbrechen von Magdeburg und Aschaffenburg und vor jener Debatte und den Abstimmungen im Bundestag, die in jüngster Zeit zu einer Verschärfung des Diskurses über Migrationspolitik auch zwischen den demokratischen Parteien geführt haben. Wir bedauern, dass die parteipolitische Auseinandersetzung dabei immer schrillere Töne auf allen Seiten hervorgerufen hat. Wir unterstützen alle Politikerinnen und Politiker, die zu mehr Mäßigung in dieser Debatte mahnen.
Wir fordern dazu auf, wieder zur sachlichen Auseinandersetzung zurückzukehren und den Streit nicht auf dem Rücken derer auszutragen, die in ihrer weit überwiegenden Mehrheit zu uns gekommen sind, weil sie auf der Flucht vor Krieg, Vertreibung, Umweltkatastrophen und Mangel an Zukunftsperspektive den Schutz durch unsere Gesellschaft erbitten.
Denen, die voller Trauer um die Opfer schrecklicher Gewalttaten sind und sogar Wut empfinden, sagen wir: Ihr seid nicht allein, wahrlich nicht! Zugleich wird die himmelschreiende Ungerechtigkeit, die Unschuldigen widerfahren ist und so viel Leid über deren Familien und Freunde gebracht hat, nicht durch Unrecht geheilt, das wir anderen Menschen zufügen, die für diese Taten nicht verantwortlich sind.
Wir erkennen an, dass es auch im Spektrum der demokratischen Parteien sehr unterschiedliche Ansätze gibt, wie die nicht zu leugnenden Probleme im Bereich der Zuwanderung tatsächlich gelöst werden können. Und wir vertrauen auf die demokratischen Kräfte im neu zu wählenden Bundestag, dass es ihnen nach der Wahl gelingt, mit breiter demokratischer Mehrheit den Herausforderungen zu begegnen, die unsere Gesellschaft zu spalten drohen.
Stehen wir zusammen für Demokratie und Menschenrechte!
Geschrieben am:
6. Februar 2025